Meldungen des Jahres 2023
Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ erschienen: Das Jahr 1983
Es war mutmaßlich das gefährlichste Jahr des Kalten Krieges, aber es versinnbildlicht auch Mut und Hoffnung angesichts von Atombedrohung und Aufrüstungslogik: 1983. Das neue Heft blickt zurück auf die Zeit vor 40 Jahren, um Ereignisse und Prozesse nachzuzeichnen, die von diesem Jahr ausstrahlen – zum Teil bis in die Gegenwart.
Der Umgang des DDR-Regimes mit Andersdenkenden zeigte sich im Frühjahr und Sommer 1983 gegenüber zwei in Jena entstandenen, zwar nur kurzlebigen, aber wegweisenden Gruppen: der unabhängigen „Friedensgemeinschaft Jena“ und der Ausreisebewegung „Weißer Kreis“. Im Juli wurde öffentlich bekannt, dass der klamme SED-Staat einen Milliardenkredit westdeutscher Banken erhalten wird, vermittelt durch den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Auf dem regionalen Kirchentag in Wittenberg kam es im September zur symbolischen Umschmiedung gemäß der biblischen Losung „Schwerter zu Pflugscharen“, einem offiziell zensierten Ausspruch im „Friedensstaat DDR“. Im Oktober sang Udo Lindenberg im „Palast der Republik“ fast ausschließlich vor FDJ-Claqueuren den Song „Wozu sind Kriege da?“. Seine Kritik an der Raketenstationierung – in Ost und West – kostete ihn die ersehnte DDR-Tournee im Folgejahr. Und doch stand die Welt in jenem friedensbewegten Jahr (erneut) am Abgrund, weil die sowjetische Seite die NATO-Übung „Able Archer“ im November kurzzeitig als direkte Kriegsvorbereitung des Westens einordnete. Ende des Jahres erhielt Lech Wałęsa, stellvertretend für die freie Gewerkschaftsbewegung Solidarność, den Friedensnobelpreis, den in Oslo seine Frau und sein Sohn in Empfang nahmen, weil Wałęsa befürchten musste, nicht wieder nach Polen einreisen zu können.
Die Rubrik Zeitgeschichte enthält die Rekonstruktion eines Raubzugs der Staatssicherheit nach Antiquitäten in Südthüringen sowie das Porträt einer widerständigen Schülergruppe, die 1950 in Jena Flugblätter und die Satirezeitschrift „Tarantel“ verbreitete. Im Interview berichtet die Regisseurin Christa Pfafferott über ihre Recherchen zum Dokumentarflm „Die Ecke“, eine Spurensuche rund um ein Foto aus den letzten Kriegstagen 1945 im thüringischen Oberdorla. Der Schriftsteller Renatus Deckert nähert sich anhand eines rätselhaften Bücherfundes der Biografie eines hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiters und fragt: Wer war Peter G.?
Die Ausgabe wird abgerundet durch Buchbesprechungen zu einem geheimen Leipziger Tonband aus dem Jahr 1976, zu einem dissidentischen Erfurter Fotoalbum, zur Feldforschung in der ostdeutschen Provinz und zum kürzlich erschienenen „Schwarzbuch Putin“.
Das Inhaltsverzeichnis und Leseproben finden Sie hier.
Die neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 106) ist im lokalen Buchhandel oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.