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Neue Ausgabe der „Gerbergasse 18“ mit Schwerpunkt AUF DEM LAND erschienen
Vor 65 Jahren wurde die „Vollkollektivierung“ der DDR-Landwirtschaft für abgeschlossen erklärt und damit „der historische Sieg des Sozialismus auf dem Lande“ verkündet. Tatsächlich war der durch das SED-Regime ausgerufene „sozialistische Frühling“ 1960 durch Agitation, Zwang und Gewalt geprägt. Wer sich weiterhin weigerte, „freiwillig“ in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) einzutreten, wurde als Militarist und Kapitalist diffamiert oder wegen fehlender Ablieferungen öffentlich denunziert. Die Propagandakampagne führte unter weiten Teilen der Landbevölkerung zu Existenzsorgen und Fluchtgedanken, während die DDR-Führung unter Walter Ulbricht „die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft als Erfüllung des jahrhundertelangen Befreiungskampfes des deutschen Bauern“ proklamierte.
Enteignung und Verstaatlichung führten zu einer tiefgreifenden Umwandlung von Landschaft und Ökonomie, ohne die bestehende Versorgungskrise zu beheben. Auch die Neubauern, die im Zuge der „demokratischen Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone ein Stück Land erhalten hatten, mussten ihr Eigentum zum Teil wieder abgeben. Obwohl die „sozialistische Landwirtschaft“ seit 35 Jahren Geschichte ist, wissen wir bis heute wenig über die Aus- und Nachwirkungen für die ländlichen Räume Ostdeutschlands.
Im neuen Heft der „Gerbergasse 18“ finden sich thematische Beiträge zur Landschaft nach Plan, dem Landleben vor der Linse und zur Mythenbildung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, aber auch die Zwangsaussiedlungen 1952 sowie ein nicht alltäglicher Grenzvorfall im Eichsfeld werden beleuchtet. Weitere Artikel widmen sich unter anderem dem Waffenhandel des angeblichen „Friedensstaates“ DDR und der Aufarbeitung der Geschlossenen Venerologischen Stationen im Disziplinierungsapparat des SED-Staates. In einer persönlichen Bilanz würdigt der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, die erste freie und geheime Wahl der Volkskammer der DDR am 18. März 1990.
Mit dem Schwerpunkt „Auf dem Land“ startet die Zeitschrift nicht nur in den mittlerweile 30. Jahrgang, auch ein anderes Datum hat Jubiläumscharakter: Am 17. Juni 2025 wurde die Geschichtswerkstatt Jena, Herausgeberin der Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik, 30 Jahre alt. Am Jahrestag des Volksaufstandes hatte sich 1995 eine vielfältige Gruppe historisch Interessierter zusammengefunden und den Verein gegründet. Wie aktuell und relevant die Vereinsanliegen Diktaturaufarbeitung und Demokratiebildung sind, zeigt der stetig wachsende Zuspruch beim Publikum und die bundesweite Verbreitung der „Gerbergasse 18“.
Die aktuelle Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 114) ist im Buchhandel oder DIREKT über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.
Eine Inhaltsübersicht und Leseproben finden Sie HIER.
Zum Tod von Klaus Hobrack – Zeitzeuge des 17. Juni 1953 in Jena und Erfinder des Rennsteiglauf-Logos
Thüringens größte Sportveranstaltung, der GutsMuths-Rennsteiglauf wurde von Studenten und Wissenschaftlern der Friedrich-Schiller-Universität Jena zwischen 1971 und 1975 entwickelt und mit Hilfe vieler Sportvereine im Thüringer Wald ab 1975 aufgebaut. Neben der Trainingsmethodik, Sportmedizin und Sportorganisation haben sich Universitätsangehörige, die alle der Hochschulsportgemeinschaft (HSG) dem Vorläufer des heutigen USV Jena angehörten, besonders um die Öffentlichkeitarbeit und Traditionspflege verdient gemacht. Für die Öffentlichkeitsarbeit wurden wirksame Formen der Pressearbeit, der Werbung und Merchandisings schon vor 1990 ausprobiert und ständig vervollkommnet. Eine wichtige Grundlage dafür war neben dem Namen des Laufs ein eigenes Symbol. Der Universitäts-Grafiker Klaus Hobrack aus Jena entwickelte im Dezember 1974, in Vorbereitung auf den 3. GutsMuths-Rennsteiglauf, das Logo des Rennsteiglaufs. Dies bestand damals aus einem grünen „R“ mit einem schwarzen nach rechts umlaufenden Pfeil, bestehend aus vier Linien. Das markante „R“ stammte von dem seit Ende des 19. Jahrhunderts üblichen Markierungssymbol auf dem Rennsteig, welches von den Mitgliedern des „Rennsteigvereins“ an Bäumen angebracht wurde. Der umlaufende Pfeil, der sozusagen aus drei Laufbahnen bestand, sollte das Laufen symbolisieren und gleichzeitig die Form eines der alten Grenzsteine haben, die heute häufig als Rennsteigsteine bezeichnet werden. Dass die Laufbahn nur in „einem“ Pfeil endete, hatte einmal die Funktion, dass es dem Logo eine gewisse Dynamik verlieh, außerdem hatte der Rennsteiglauf 1975 nur eine Laufrichtung. Das Logo wurde dann mehrfach grafisch überarbeitet, so von der Weimarer Grafikerin Ilse Eulitz, von der Geraer Künstlerin Angelika Schütt und zuletzt vom Schmiedefelder Werbefachmann Uwe Kusian.
Der 1934 in Jena geborene Klaus Hobrack war seit Anfang der 1960er Jahre als Werbegrafiker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschäftigt. Zu seiner Biografie gehört, dass er im Zusammenhang mit dem Aufstand am 17. Juni 1953 verhaftet worden war. Er hatte gemeinsam mit anderen als 18-Jähriger aus Euphorie angesichts der Demonstrationen und als Zeichen des Friedens die Glocken in der Stadtkirche in Jena geläutet, was ihm drei Jahre Haft einbrachte.
An der Universität gehörte er zum Bereich Öffentlichkeitsarbeit, wo er vor allem für die Anfertigung von Transparenten, Losungen und Schaukästen zuständig war. Seit Mitte der 1960er Jahre kam er in Kontakt zu Sportlern der HSG der Jenaer Universität. Besonders für die junge 1967 gegründete Abteilung Orientierungslauf (OL) fertigte er regelmäßig Poster für einen Schaukasten in der Innenstadt an. Hobrack unterstützte sie auch bei der Herstellung erster farbiger Wettkampfkarten, kann sich der Rennsteiglaufmitgründer Wolf-Dieter Wolfram erinnern. Durch die OL-Sektion kam Hobrack auch in Verbindung zu den Rennsteiglaufgründern, für die er 1975 das Plakat, einen Schaukasten und vor allem das Rennsteiglauflogo entwarf. Dadurch angeregt, wollte er auch selbst starten und trainierte anfangs „heimlich“ und später mit der Trainingsgruppe. Beim 3. Rennsteiglauf schaffte er es nicht ganz bis zum Ziel, da er nach 60 Kilometer aufgeben musste. Das hatte Christina Wötzel miterlebt, die zu den Betreuern der Jenaer Läufer gehörte. Es folgten dann noch einige erfolgreiche Rennsteiglaufteilnahmen von Klaus Hobrack. Bei weiteren Laufprojekten der HSG-Laufgruppe, wie den „Fackelläufen“ über 35 Kilometer von der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald nach Jena war Hobrack sowohl als Teilnehmer als auch als Verantwortlicher für die Werbung dabei, weiß Rennsteiglauf-Mitgründer Jens Wötzel.
Der Jenenser Hobrack blieb bis Anfang der 1980er Jahre den Jenaer Rennsteiglauforganisatoren als grafischer Berater" sowie Helfer treu und war im Bereich „Agitation und Propaganda“ für Werbemaßnahmen zuständig. Als Übungsleiter einer Schülergruppe im OL hatte er zudem einen Anteil an der Aufbauarbeit dieser Sportart in Jena. 1981 übertrug er dem Rennsteiglauf-Mitgründer Hans-Georg Kremer gegen eine symbolische Prämie die Verwaltung und Bewahrung seines ikonischen Rennsteiglauf-Logos.
Klaus Hobrack ist nun im Alter von 90 Jahren in Jena verstorben. „Mit seinem Logoentwurf hat er sich für den Rennsteiglauf unsterblich gemacht und wird auch in Zukunft in guter Erinnerung bleiben“, sagt der Rennsteiglauf-Vereinspräsident Jürgen Lange zu der traurigen Nachricht.
Dr. Hans-Georg Kremer
Klaus Hobrack (li.) mit dem Rennsteiglauf-Urgestein Peter Baumann, der ein T-Shirt mit dem Hobrack´schen Rennsteiglauf-Logo trägt. Foto: Archiv Hans-Georg Kremer